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Die Mark

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Enstehung und Begriff

Die Bezeichnungen Mark, Allmende oder Gemeinheit werden nach Regionen verschieden gebraucht, haben aber dieselbe Bedeutung. Sie besagen, daß es sich um Grund und Boden einer Gemeinschaft handelt. Der Einzelne hat ein Recht der Nutzung dieses gemeinsamen Eigentums. Es ist aber ein eingegerenztes Recht, weil er selbst dieses Nutzungsrecht nicht losgelöst von seinem Hof veräußern kann.

Zwischen Teglingen im Norden und Lingen im Süden sowie Geeste, Varloh, Schwefingen im Westen und Helte, Lehrte, Bückelte, Bramhar im Osten lag einst ein großer Landstrich, der völlig unbewohnt war. Dieser Landstrich war zum großen Teil "öd und wüst" und wurde Brook, Brock, Mark oder auch Osterbrocksmark genannt.
Hermann Brand schreibt 1) in seinen Erinnerungen "Es heißt: Bröker/Teglingen, Krane/Bramhar und Böhmer/Lingen seien Nachbarn gewesen. Das ganze Osterbrock sei dicht mit Holz bestanden gewesen, so daß ein Eichhörnchen über Bäume von einem Nachbarn zum anderen gelangen konnte, ohne die Erde zu berühren." In Diepenbrocks Geschichte 2) heißt es, im 15. Jahrhundert sei mit einem Wagen des Holzes wegen schwer durchzukommen gewesen.
Bei dem Eichhörnchen handelt es sich wohl um mündliche Überlieferung, die in ähnlicher Version verschiedentlich 3) auftaucht. Es steht jedoch fest, daß diese gesamte Fläche in früheren Jahrhunderten einen großen Holzreichtum aufwies. Aus einer Aufstellung des Rentmeisters Kock 4) in Meppen geht hervor, daß dort im August 1522 Eichen, Buchen, Telgen und sonstige Stämme im Werte von über eintausend Thalern entwurzelt wurden.

Die Grenze zwischen der Lingener und Meppener Mark war lange umstritten. So berichtet Schriever 5), daß die Lingener 1562 ihr Vieh bis Teglingen getrieben und fremdes Vieh geschüttet (in Verwahrsam genommen) hätten. Weiter ist bei Diepenbrock 6) zu lesen, daß ab dem 16. Jahrhundert Raubbau am Wald betrieben wurde und dieser infolgedessen immer weiter zurückging. Das ging sogar so weit, daß später die Flächen kahl und sandig wurden. Wandernde Sanddünen waren die Folge. Ebenso trostlos sah es in tiefer gelegenen Terrains aus. Bei Regenfällen stand hier alles unter Wasser, weil es keine Entwässerung gab.
Wie uns die folgende Schilderung 7) des Postmeisters Ulrich vom 24. März 1831 aus Leer über den Postweg von Lingen nach Meppen verrät, war es ein waghalsiges Unternehmen, eine Reise durch dieses Gebiet zu unternehmen. Dort heiß es "......... bei Geeste stand die Gegend unter Wasser, und jede Spur eines Weges war verschwunden. Zwischen Geeste und Varel geriet ich in ein Labyrinth von Sandbergen, fuhr Berg auf, Berg ab, und mußte zwischen den Sandbergen mich so gut wie möglich durchwinden. Wenn der Postillion mir nicht die Versicherung gegeben, daß es der rechte Weg sey, den auch der Postwagen fahren müßte, würde ich daran gezweifelt haben. In den zwischen den Dünen befindlichen Vertiefungen stand mitunter das Wasser so hoch, daß ich befürchten mußte, es in den Wagen treten zu sehen. Soweit die Feldmark der Dorfschaft Varel sich ausbreitet, kann man den Weg leidlich nennen, diese Strecke ist aber nur kurz und bald gerät man wieder in eine Sandsteppe, ärger als die zuvor durchkreutzte. Eine Menge spuren führen durch dieselbe, aber an einen ordentlich abgestochenen Weg ist, bis der Damm vor Meppen erreicht ist, nicht zu denken. Ohne Wegweiser oder Compaß schon bei Tage sich durch diese Sandfelder zu finden, muß für jeden, der den Weg nicht kennt, ein wahres Mirakel seyn, wie es aber Post bey Nacht macht, bleibt mir unbegreiflich......"

Der Meppener Teil an dieser riesigen Mark wurde Osterbrocksmark, das Osterbrock oder auch kurz das Brook genannt. Sie wurde genutzt als Viehweide, zum Soden- und Plaggenstechen aber auch zur Versorgung mit Holz in jeglicher Form. Nutzungsrechte an der Mark hatten die Stadt Meppen sowie die Bauerschaften Vormeppen mit Nödike, Teglingen, Helte, Lehrte, Bückelte, Klosterholte, Haverbeck, Meppener Bramhar, Varloh und Schwefingen.

Hier waren nicht nur Bauern einer einzigen oder zweier sondern einer ganzen Reihe von Bauerschaften an ein und derselben Mark nutzungsrechtlich beteiligt. Zwischen der Lingener und der Meppener Mark war keine eindeutige Grenze gezogen, so daß es zu Interessenkollisionen kommen mußte, wie wir später sehen werden.

Ursprünglich hatte man bei der Landnahme zunächst die zu beackernden Flächen nach bestimmten Gesichtspunkten und in freier Entscheidung ausgewählt und in Nähe dieser Flächen ein Gehöft angelegt 8). Der Boden wurde kultiviert und befand sich samt Gehöft mit Viehbestand in Privatbesitz. Auch weitere Flächen, die nach und nach kultiviert wurden, gingen in Privatbesitz über. Die nicht bearbeiteten Flächen waren zunächst herrenlos. Als die Bevölkerungszahl wuchs, wurden diese Flächen immer kleiner und nur noch von den vorhandenen Ansiedlern gemeinsam genutzt. Sie gingen aber nicht in Privatbesitz über, sondern bildeten zukünftig einen "Gemeinbesitz". In fränkischer Zeit nannte man diesen Gemeinbesitz "Mark".
Als Nutzer der Mark begannen vom 12. Jahrhundert an die Bauern in ihren Dörfern feste Markgenossenschaften zu bilden, die eine Abschließung der Mark gegenüber nicht altberechtigten Nutzern zum Ziele hatte. So sollte das Eindringen immer neuer Teilnehmer verhindert werden. Die Markgenossen hatten zu diesem Zeitpunkt alle gleiches Nutzungsrecht an der Mark, das man auch "War" nannte. Dieses Recht war noch nicht geteilt. Darum sprach man auch von Vollbauernstellen oder vom Beginn des 15. Jahrhunderts an von Vollerben. Erbe hat hier die Bedeutung von Hof. Die Gründung der Vollbauernstellen war um 1200 abgeschlossen.

Voll- und Teilerben, Kötter und Brinksitter

Nach 1200 begegnen uns Halberbe, Drittelerbe usw. Sie müssen aus der Teilung der Vollerben entstanden sein. Die Teilung eines Vollerbes ergab nicht zwangsläufig 2 Halberben. Es ist sogar möglich, daß der zu teilende Hof ein Vollerbe bleibt und der entstehende neue Hof kein Teilerbe ist. Vielleicht war dies eine Frage der Festlegung. Es geht z. B. auch aus Kaufverträgen hervor, daß bei Grundstücksverkäufen das Eigentumsrecht am Grund und Boden übertragen werden soll, daß aber ausdrücklich betont wird, daß der Erwerber daraus keine Anrechte aus der Mark, die mit dem zu verkaufenden Grundstück anteilig verbunden ist, erwerben soll. Es bleibt auch festzuhalten, daß die Erbeseinteilung nichts mit Größe eines Hofes zu tun hat.

In den nächsten Jahrhunderten tauchten die "Erbkötter" auf. Sie haben ihren Boden vom elterlichen Hof. Ferner erscheinen die Markkötter, sie haben Boden, der aus der Mark ausgesondert wurde, und die Brinksitter, sie haben Boden am Rande der Mark erworben.
Wer in der Bauerschaft und in welchem Umfange jemand Nutzungsrecht an der Mark hatte, ging aus der Strukturierung der Bauerschaft hervor, die sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet hatte. Teilerben wie auch die Kötter und Brinksitter hatten nur abgestufte oder keine Nutzungsrechte an der Mark. Die Teilung der Vollerbenstellen und die Ansiedlung der Kötter und Brinksitter sollte Existenzmöglichkeiten für die nachgeborenen Kinder schaffen. Im vorindustriellen Zeitalter konnten sie außer durch Einheirat keine Existenz finden und blieben so oft unverheiratet auf dem elterlichen Hof.

Das Heuerlingswesen

Es entwickelte sich ab dem 17. Jahrhundert. Die Erben bauten auf ihrem Hof, oft in Rufnähe des Hauses, ein bescheidenes Haus, in dem eine Familie mit einigen Stück Vieh leben konnte. Hier zog der Heuermann, auch Heuerling genannt, als Pächter ein und bekam auch einige Morgen Boden vom Hof zur Bewirtschaftung als Existenzgrundlage. Neben der Pacht hatte er das ganze Jahr hindurch eine bestimmte Anzahl von Tagen auf dem Hof des Eigentümers vorrangig vor seiner Arbeit mitzuarbeiten. Zunächst dachte man daran eine Existenzgrundlage für nachgeborene Söhne zu schaffen. Später war es dann nicht mehr der eigene Sohn sondern eine ganz andere Familie. So verselbständigte sich die neue Idee.
Naturgemäß trug diese Lösung von Existenzbegründungen eine Menge Zündstoff in sich. Der Heuermann hatte keinen eigenen Grund und Boden, kein eigenes Haus und konnte auch nicht frei über seine Zeit verfügen, denn der Bauer beziehungsweise die Bäuerin bestimmte, wann der Heuermann oder seine Frau auf dem Hof zur Arbeit zu erscheinen hatte Daneben mußte er zusehen, wie er seinen Acker bestellte oder seine Ernte unter Dach brachte, wenn der Bauer ihm zuweilen mit seinem Pferdegespann - er selber hatte nur Ochsen als Zugtiere - auch mithalf.
Der Heuermann war kein Leibeigener, aber es muß oft ein bedrückendes Gefühl gewesen sein, so unter dem Zwang der Verhältnisse auf der untersten sozialen Stufe leben zu müssen. Wie schwierig mag es oft für ihn gewesen sein, das Bargeld für die jährliche Pacht zu ersparen. Für manche Heuerleute war die sommerliche Arbeit im benachbarten Holland die einzige Möglichkeit, das Pachtgeld aufzubringen.
Heinz Jakobs 9) schreibt ".....Der Hollandgang hatte eine wichtige materielle Funktion: Er lenkte Arbeitskraft, die bei wachsender Bevölkerung in der emsländischen Landwirtschaft nicht voll genutzt werden konnte, nach außen. Der Heuermann verdiente in Holland Bargeld und konnte so seine Heuer bezahlen. Anderseits hatte der Hollandgang eine bedeutende psychologische Funktion: Der Heuermann war einige Monate frei von seinem Bauern. Sein Zorn über die Knechtschaft konnte sich abkühlen. Außerdem führte der Hollandgang aus der dörflichen Enge in die Weite der Welt, aus der Öde und Kargheit des Emslandes in belebtere Räume und hellere Landschaften."
Nun diese Aussage mag ihre Berechtigung haben, aber im Grunde war die Hollandgängerei nur eine andere Form eines entbehrungsreichen und von harter Arbeit gezeichneten Lebens, wenn der Heuermann für Monate fern von seiner Familie in Holland schwer arbeitete, um sein Pachtgeld zusammen zu bringen.
Mit rund 25 Heuerleuten erreichte ihre Zahl in Teglingen um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ihren höchsten Stand. Die Auswanderungswelle nach Amerika und die beginnende Industriealisierung ließen ihre Zahl zurückgehen. Viele Heuerleute konnten zwischen den beiden Weltkriegen zum "Hofeigentümer aufsteigen". Das gilt insbesondere für die Zeit nach 1926 10), als von Heinrich Kuhr, dem Vorsitzenden des christlichen Heuerlingsverbandes, die Siedlungsgesellschaft Emsland ins Leben gerufen worden war. Bis 1933 konnten durch die Genossenschaft allein 361 Stellen geschaffen werden, auf denen Siedler angesetzt wurden. In Teglingen gab es 1957 bei der Erfassung der Heuerlingsverhältnisse 11) zwecks Versicherungspflicht bei Kranken- und Rentenversicherung noch 4 Heuerleute, die ihre Stelle aber einige Jahre später auch verließen.
Das Heuerlingswesen ist kein rühmliches Kapitel, aber es kennzeichnet die Zwangslage bei wachsener Bevölkerung und knapper werdendem Grund und Boden in einer wirtschaftlich schwachen Zeit, die niemand zu ändern vermochte. Wie auch immer jemand zum Heuerlingswesen stand, Walter Bien 12) hat Recht, wenn er schreibt: Bei näherer Betrachtung der der Heuerlingsverhältnisse muß man feststellen, daß es sich hier um Partnerschaftsverhältnisse handelte, die überall dort gut liefen, wo guter Wille und gegenseitiges Verständnis Eingang gefunden hatten; und daß dies in der überwiegenden Zahl der Vertragsverhältnisse der Fall war, zeigt die Tatsache, daß die jeweiligen Familien oft über Generationen auf den Stellen verblieben. Hierraus resultiert weiterhin, daß getroffene Vereinbarungen schriftlicher Art ohne Verlängerung oder Fortschreibung stillschweigend fortgesetzt wurden.

Anmerkungen:
1) Hermann Brand, Notizen im Hofarchiv Brand Teglingen
2) Diepenbrock, IB., Geschichte des vormaligen münsterschen Amtes Meppen, Münster 1962, S. 11
3) Helmut Bojer, Das Holzgericht zu Spelle. In Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 13/1966, S. 110
4) s. Anm. 1, S. 11
5) Ludwig Schriever, Geschichte des Kreises Lingen, Lingen 1910, Bd. II, S. 11
6) s. Anm. 1
7) Staatsarchiv Osnabrück, Rep. 350, Mep Nr. 1489
8) für diesen u. ff. Abschnitte: Cl. A. Behnes, Beiträge zur Geschichte und Verfassung des ehemaligen Niederstiftes Münster u. Heinrich B. Lackmann, Heinrich Lackmann (1805-1882), Münster 1992, S. 58 ff.
9) Heinz Jakobs, Knapp Gerd, Lingen 1995, S. 42/43
10) Walter Bien, Das Heuerlingswesen im Emsland..., im Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 1995, Bd. 41, S. 62
11) s. Anmerkung 8, S. 6 59
12) s. Anmerkung 8, S. 61