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Holthing - Holting - Hölting

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Alle Bewohner einer Bauerschaft, die ein Recht hatten, die Mark zu nutzen, wurden Markengenossen genannt. Für die Nutzung der Mark gab es exakt festgelegte Regeln. Jeder durfte z.B. nur eine bestimmte Anzahl von Rindern in die Mark treiben, eine bestimmte Menge Plaggen stechen usw. Da die Menschen dazu neigen, festgelegte Normen zu überschreiten, hat man schon in früher Zeit ein Holzgericht eingesetzt das über Verstöße in der Mark urteilte. Dieses Gericht nannte man Holthing. Thing ist die alte germanische Bezeichnung für Gericht und Hol steht für Holz. Einmal jährlich tagte dieses Holzgericht und zwar immer in Teglingen. Da der Name Teglingen Ort des Gerichts bedeutet und im 10. Jahrhundert erwähnt wird, ist der Beweis erbracht, daß dieses Gericht schon vor 900 bestanden haben muß.

Das Recht zur Abhaltung des Gerichtes hatte seit Beginn des 15. Jahrhundert die Stadt Meppen. Davor war dieses Recht seit undenklichen Zeiten mit dem Haupthof der Familie von dem Campe in Teglingen verbunden. Diese Familie hatte ihren Hauptsitz in Nödike. Nach einer Urkunde vom 25. Mai 1408 1) verkauften die Gebrüder Hermann und Roleff von dem Campe das halbe Dorf Nödike und Markengerichtsbarkeit an die Stadt Meppen. Am 30. September 1435 2) verkauften Koep und Rolff von dem Campe die zweite Hälfte von Nödike an die Stadt Meppen. Da die Holzgerichtsbarkeit mit dem Hof in Teglingen verbunden war, hielt auch die Stadt Meppen in den folgenden Jahrhunderten stets das Gericht in Teglingen ab.

Wann die Stadt Meppen erstmals das Gericht abhielt, ist nicht erwiesen. Hermann Friese meint, 3) es sei vermutlich 1410 gewesen. Das älteste erhaltene Protokoll eines Holtinks stammt von 1444 4). Diesem Protokoll zufolge ließ sich der Rat der Stadt Meppen bestätigen, "daß der verstorbene Hermann von Campe und nach ihm seine Kinder und die Bürger von Meppen gemeinsam Einkünfte im Teglinger Brook gehabt hätten, die nun an die Stadt Meppen übergegangen wären. Sie besäßen die Einkünfte zu Recht, und keiner wäre berechtigt, diese zu beanspruchen". Das Gericht bestätigte der Stadt Meppen dieses Recht.

Nach feststehendem Ritual wurde das Holthing über Jahrhunderte in jedem Jahr am Dienstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag auf dem heutigen Hof Kämper abgehalten. Nur in besonderen Fällen fand zwischendurch ein Holthing statt, das man Nothholting nannte. Der Ort, an dem das Gericht stattfand, nannte man die Thingstätte oder auch Maalstaat. Alle Markengenossen, die man auch Erbexen nannte, wurden offiziell durch Ankündigung des Stadtboten vor der Kirche in Meppen wie auch in Bokeloh, weil ein Großteil der Markengenossen zur Pfarre Bokeloh gehörte, am Dreifaltigkeitssonntag zu dem Termin geladen. Alle Markengenossen waren zur Anwesenheit verpflichtet. Wer nicht erschien, wurde mit Strafe belegt. Richter war der erste Bürgermeister der Stadt Meppen. Er wurde auch Oldermann genannt. In schwierigen Rechtsfragen ernannte er den rechtskundigen Richter in Meppen zu seinem Vertreter. Beisitzer war der Stadtrat. Vor Gerichtsbeginn ernannte der Oldermann einen Vorsprak, der die Rechte der Gesamtheit zu vertreten hatte. Öffentliche Ankläger waren die Eidschwörer. Einen solchen Eidschwörer stellte jede Gemeinde. Das Amt wechselte jährlich unter den Markgenossen. Aufgabe des Eidschwörers war es, während des Jahres begangene Verstöße gegen die ordnungsgemäße Nutzung der Mark unter Eidesverpflichtung zur Anzeige zu bringen.

Die Meppener Bürgerschaft zog gemeinsam mit Bürgermeister und Rat zur Thingstätte. Für die Begleitung erhielten die Bürger nach der Rückkehr eine Tonne Bier, das auf dem Rathaus verzehrt wurde.
Nachdem das Gericht vorbereitet war, ließen sich Richter und Beisitzer im Freien auf einer Bank nieder. Die übrigen Anwesenden mußten einen respektvollen Abstand halten. Zu diesem Zweck wurde eine Schnur gespannt. Jetzt fragte der Richter den Stadtboten und den Pastor von Bokeloh, ob das Holthing ordnungsgemäß bekanntgemacht wurde. Danach wurde die Anwesenheit aller Eidschwörer und Markengenossen festgestellt.
Nun wurden jedem Eidschwörer folgende Fragen gestellt:

  • ob er wisse, daß aus seiner Bauerschaft jemand vor dem festgesetzten Tage und mit mehr als einer Sense in den gemeinsamen Markenwiesen Gras gemäht habe,
  • ob jemand für andere gemäht oder sein Heu verkauft habe (jeder durfte die Mark nur für seine Haushaltung nutzen),
  • ob jemand fremdes, unberechtiges Vieh in das Brook treibe,
  • ob jemand seine Zuschläge, Tannenzäune, Häuser in der Mark errichtet habe,
  • ob jemand seine War (berechtigter Anteil) verpachtet habe,
  • ob jemand mehr Vieh den Sommer über hineingetrieben habe, als er im Winter füttern könne,
  • ob die eingetriebenen Schweine gekrampt seien,
  • ob jemand einen Feldbrand veranlaßt habe.

Folgende Fragen kamen seit Mitte des 17. Jahrhunderts hinzu:

  • ob die Sandwehen gedämpft wurden,
  • ob die Wasserläufe (z.B. Teglinger Bach) gereinigt wurden,
  • ob Schafe von Mai bis Allerheiligen aus dem Grünland ferngehalten wurden.

seit Mitte des 18. Jahrhunderts noch:

  • ob auch die Anpflanzungen in den Tannenkämpen geschehen seien,
  • ob nicht mehr Heuerleute als vordem die Mark nutzten.

Zum Abschluß wurden die Eidschwörer für das nächste Jahr benannt, die Straffälligen abgeurteilt und anstehende Fragen zur Markennutzung erörtert.  Danach rüstete man zum Aufbruch nach Meppen, um dort beim Festmahl und Bier den Tag zu beschließen. Das Holthing war für die Meppener Bürger stets ein großer Festtag. Nur sehr selten fiel das Holthing aus. Selbst im dreißigjährigen Krieg wurde es abgehalten. Es kam dann allerdings vor, daß nur ein Teil der Bürger auszog und der andere Teil zur Bewachung der Stadt zurückblieb.

 Seit 1716 wurde das Holthing mit einer kirchlichen Feier verbunden.5) Der Vikar von Meppen hielt zu Gerichtsbeginn in der Kapelle zu Teglingen ein Hochamt. Dafür wurde ihm ein Grundstück aus dem Osterbrock zur Nutzung ausgegliedert.

Auch zwischen den Gerichtstagen mußte der oberste Markenrichter nach Bedarf tätig werden. Als eine Art Markenpolizei standen ihm die Eidschwörer in den einzelnen Gemeinden und die sogenannten Schütterer zur Verfügung, die er bei eklatanten Verstößen in der Mark sofort einsetzen konnte. Hermann Wenker 6) berichtet uns über einen Vorfall:
"1766- Die Teglinger sind mit ihren Schafen ins Böllen Moor gekommen. Die Meppener schicken Schütterer aus am 24.12.1766. Als die Teglinger dies gewahren, fliehen sie, es gelingt den Schütterern nur, die Schüppe eines Schäfers zu erhaschen; sie legen sich auf die Lauer und fangen ein Schaf ab, nehmen es mit sich in Böllen Behausung und verweilen dort einige Zeit. Mittlerweile kommen die Teglinger mit Kitteln und Gewehren bewaffnet zurück, dringen in Böllen Haus, werfen den einen Schütterer zu Boden und nehmen das Schaf mit Gewalt an sich. Darauf erhielten die Schütterer am 30.12. wieder Befehl zu schütten und mit ihnen zogen zwei Gruppen Meppener aus teils bewaffnet teils unbeaffnet, fanden aber nichts vor zum Schütten. Die Teglinger beschwerten sich bei den Beamten wegen gewaltsamer Behinderung der Schaftrift. Die Meppener bestanden auf ihrem alleinigen Recht (das Böllen Moor zu nutzen) nebst Kolhofe, Bakemuden und Bölle."
Der Markenrichter hatte hier eingegriffen, stieß aber auf den Widerstand der Bevölkerung. Der Ausgang dieses Streites ist nicht bekannt. Man kann sich leicht vorstellen, daß dieser Streit ein Tagesordnungspunkt des nächsten Holthings wird.
Die Bedeutung der einzelnen Gerichtstage war verschieden. Insgesamt ließ sie wegen der Grundstücksverkäufe aus der Mark nach. 1834 konnte das Holthing noch einmal seine ursprüngliche Pracht entfalten. In diesem Jahre verband man mit ihm die tausendjährige Gedächtnisfeier der Schenkung der Abtei Meppen an das Kloster Corvey. Die tiefere Bedeutung war aber verlorengegangen und so fand im Jahre 1849 wegen der Teilung der Mark das letzte Holthing statt.
Eine jahrtausendalte Institution fand ihr Ende.

Anmerkungen:
1) Diepenbrock, I.B. Geschichte des vormaligen Amtes Meppen, Münster 1962, S. 207 u. 677
2) wie Anm. 1) S. 207 u. 683
3) Friese Mermann, Festschrift "575 Jahre Hölting 1410-1985" , S. 15
4) Meppener Urkundenbuch, Nr. 252, 9. November 1444
5) Wenker Hermann, Das Weichbild von Meppen und seine Bürger in alter Zeit, Meppen 1908, S. 61
6) Bücherei des Emsländischen Heimatbundes Meppen, Nachlaß Wenker, Ordner 4